Donnerstag, 9. Oktober 2008

Herr Jesus und Goldfischlein

Nachdem ich in einer Trockneraktion meinen Badeanzug verdörrt und mir für eine nicht unerhebliche Menge bedruckten Papiers einen Neuen ertauscht hatte, musste ich natürlich auch endlich wieder schwimmen gehen. Dies geschah nun heute, in völliger Ignoranz des Termines, den ich ja bereits gestern wahrnahm (ja, das war ein gutes Gefühl).
Alles war wie immer: Im abgeteilten Becken plätscherte der Aquafitness-Kurs vor sich hin, draussen ernannten blöde Kinder Poolnudeln zu Laserschwerten und schlugen sich virtuelle Köpfe ab, ein paar Rentner standen im Weg und ich tauchte gerade auf der Sportbahn auf, als ER das Etablissement betrat. Der Herr, Sohn Gottes: JESUS.
Ich traute meinen Augen kaum. Er hatte langes, leicht welliges, mittelbraunes Haar und wandelte, wie Gott ihn schuf, nur bekleidet mit naturweißen Shorts ins Hallenbad. So stand er da, am Beckenrand, und schaute aufs Wasser. Ich wartete auf den Moment, da er zum ersten Schritt ansetzen würde. Mir war, als liefe er gleich los, ein Mal über die Wasseroberfläche, segnete alles, und ginge dann. Dem war nicht so. Er wendete sich dem Kinderbecken zu, breitete die Arme leicht aus und stieg andächtig die Stufen ins Kinderbecken hinab. Das gesamte Schwimmbad hielt inne, bestaunte Jesus, der sich so anmutig, andächtig, gloriös bewegte. So schritt er also ins Becken und schon verstand ich. Ja! Ich schaute mich suchend um. Johannes. Gleich musste noch Johannes kommen. Ich würde Zeuge der Taufszene werden. Grandios! Ich hatte so oft davon gehört, dass es einen neuen Jesus geben soll, aber, dass er in meinem Schwimmbad getauft werden würde, in meinem Beisein, das konnte ich ja nicht ahnen!
Aufgeregt suchend schaute ich mich also um nach Johannes und verluchte meine schulische Religionsabneigung. Mist! Wie sah Johannes aus? Würde ich ihn erkennen?
Das betrat plötzlich Mr. Bean die Bühne. Ehrlich. Ich weiß, wie absurd das klingt, aber ich wäre beinahe untergegangen vor Lachen. Dieser Typ sah wirklich aus, wie Mr.Bean. Er betrat das Szenario in schwarzer Badehose, gelben Badeschlappen und einem Rucksack. Selbst Jesus starrte nun gen Tür und war gleichfalls fasziniert.
Es müssen Minuten gewesen sein, die das Schwimmbad in Stille und Andächtigkeit verharrte, bis sich, ohne Vorwahrnung, alles blitzschnell in Normalität auflöste.
Jesus bemerkte seinen Irrtum mit dem Kinderbecken und siedelte, völlig unspektakulär, um ins 'Große', Mr. Bean sorgte noch für ein wenig Belustigung, als er beinahe mit Rucksack ins Wasser stieg, aber dann war alles normal.
Und dann kam Rita! Rita, das Goldfischlein. Ihres Zeichens stolze 72, braun gebrannt, täglich schwimmend. Wer Rita kennt liebt sie, vor allem dann, wenn sie nicht da ist! Rita ist die gefüchtetste Schwimmerin im Ganzen Bundesland. Sie hat sich mit den Jahren einen Schwimmstil erarbeitet, der seines Gleichen sucht. Diese Frau schafft es allein drei Bahnen zu beschwimmen - und zwar so, dass man einfach nicht in der Lage ist, ihr aus dem Weg zu gehen. Als ich sie das erste Mal sah dachte ich, man müsste sie retten, da sie kurz vorm ertrinken sei. Sie krault. Vorwärts und rückwärts. Vorwärts geht es noch, es wirkt etwas ungelenk und bedrohlich, aber sie kommt voran. Rückwärts jedoch, herrje, wenn ich das nur filmen dürfte!!! Bei jeder Armbewegung taucht Ritas Kopf komplett unter. Man sieht nur noch ein Stück vom hellblauen Badeanzug. Ihre ausgefeilte Schwimmtechnik lässt Strudel entstehen, die den Bademeister zwingen alle Eltern zu warnen, Ihre Kinder doch bitte aus dem Becken zu holen. Über die Lautsprecher wird verkündet, dass nun nur noch besonders gute Schwimmer im Becken bleiben dürfen und für etwa eine Stunde herrscht Ausnahmezustand im Hallenbad.
Beendet wird dieses Szenario dann immer gegen 11.30 Uhr vom Veteran. Der Veteran hat im Krieg sein Bein verloren, sein Linkes. Er schlendert auf Krücken zum Beckenrand, stellt dort Geh-Hilfen und Beinprothese ab und betritt umgehend, einbeinig das Becken. Rita und der Veteran mögen sich nicht. Man munkelt, sie hätten früher mal eine Beziehung gehabt, doch er brach ihr das Herz, weil er sich mit Gerds Schwester Inge inflagranti erwischen lies. Seither ist der Veteran Ritas Nemesis. So verlässt sie, sobald sie ihn erblickt erbost das Hallenbad, weswegen der Veteran sehr beliebt ist. Auch ich mag ihn.

Flossengrüße

Ihre
FrauJ

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nur ein Bein und zwei Weiber!
Vom Veteran kann selbst ich noch was lernen.

Frau J. hat gesagt…

Ich könnte Ihn nach seiner Numer fragen ...vielleicht gibt er Privatunterricht,monsieur winkel.

wolf hat gesagt…

Die Atmosphäre eines Schwimmbades ist abhängig von der Uhrzeit. Besucht man es gegen 20 Uhr, wirken Ihre hier geschilderten Charaktere weniger gleissend, wie etwa der halblanghaarige Horst (Codename: Jesus), welcher sicher mit voller Absicht das warmgepinkelte Kinderbecken dem wegen seiner Grösse noch nicht warmgepinkelt sein könnenden, tiefen Becken vorzog. Rentnerpipi hat auch etwas ungleich unversöhnlicheres, als Kinderpipi. Ich kann ihn verstehen. Oma und Einbein hingegen überlebten sicher nicht einmal die ersten 60 Sekunden im konzentrierten Trubel der Sportbeflissenen gegen 19.30 Uhr. Geschweige denn, dass sie überhaupt bemerkt würden, was wiederum in engem Zusammenhang mit den 60 Sekunden steht.
Ich frage mich nur, was sie, werte FrauJ, in diesen noch nicht pullerwarmen Rentnertempel zu dieser Zeit zieht? Ist der Konkurrenzdruck gegen Abend wirklich zu gross?

Ihr schmunzelnder Wolf

Erdge Schoss hat gesagt…

Bean war Johannes, liebe FrauJ, und im Rucksack steckte der ganze Taufzinnober. Oder waren da Stullen drin, ein Banänchen und Sprudelwasser?

Herzlich
Ihr Erdge Schoss