Montag, 6. Oktober 2008

U Back - Nachruf

U Back, der Bäcker meines Vertrauens. Gemütlich gelegen an der Frankfurter Allee, direkt am Auf-/Abgang zur U-Bahn-Haltestelle Magdalenenstraße; deswegen auch U Back ... Was saßen wir im Frühjahr und Sommer oft dort draußen, die Frankfurter Allee säuselte uns mit dezenten 100db ins Ohr, während die U5 uns im 3-Minuten-Takt ein Grollen den U-Bahn-Schacht herauf schickte. Das Kiosk nebenan beherbergte bereits gegen 8Uhr morgens dem Alkoholkonsum nicht abgeneigte Zeitgenossen, die uns versorgten mit den neusten Schlagzeilen der Bild und grandios recherchierten politischen Zusammenhängen. Man hätte sie so, wie sie waren, zu Anne Will einladen können ... Mindestens drei Mal in der Woche ließen wir uns in den Baumarkt-Plastikstühlen dort nieder, tranken billigen Kaffee und versuchten wach zu werden. Das waren noch Zeiten!
Ich war eine Zeit nicht da; und als ich heimkehrte, war alles anders. U-Back ist umgezogen, eine Ecke weiter. Sie nennen sich weiterhin U-Back, was ich in Anbetracht der jetzigen Entfernung zur U-Bahn-Haltestelle für übertrieben halte. Früher stand auf dem Schild: U Back - Bäckerei & Croissanterie, wobei den besonderen Reiz ausmachte, dass es so gut wie nie Croissants gab. Jetzt steht da: U Back - Bäckerei & Caffeterie, oder so, dafür gibt's jetzt immer Croissants. Und die Bedienungen haben neue Schürzen bekommen, die Stühle draußen sind sauber und neu, der Laden innen ist sauber, rot und beige gestrichen und es stehen sogar Kerzen auf dem Tisch.
Kurzum: U Back ist jetzt SchickiMicki!
Ich mochte dieses ranzige, unperfekte Ladenlokal mit den schecht-gelaunten Bedienungen; jetzt ist alles hell, sauber und freundlich ... unecht.
Wahrscheinlich ist es die Nähe zum Prenzlberg, die das macht. Da ist ja auch alles SchickiMicki und jeder winzige Laden ist In und hip und neu und besser, als alles vorher und Bio! Nicht zu vergessen Bio. Alles ist jetzt Bio und besser und gesünder und grüner, roter, knackiger, frischer ...
Ich vermisse das alte U Back.
Vielleicht nehme ich mir einen Kredit auf und miete das alte Ladenlokal. Da werde ich dann neu eröffnen. Das neue ALTE U Back. Ich werde Instantkaffee in lauwarmes Wasser einrühren und dafür 1,80€ verlangen, ich werde pappige Schrippen verkaufen und wenn jemand ein Croissant möchte werde ich sagen: "Croissants hammer nich! Sieht dat aus wie Paris hier, oder wat? ... ne Schrippe könn' se haben."
Und dann werde ich lächeln und von Früher erzählen, als U Back noch ein wundervoller Ranzladen war ...

nostalgische Grüße

Ihre
FrauJ

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das mit den auf den Tischen befindlichen Kerzen ist allerdings übertrieben, waren sie doch - zumindest bei meinem U-Back-Besuch längst ausgebrannt und somit nur Dekoration, die darauf hinweisen sollte, dass sich an dieser Stelle Kerzen befänden, wäre jemand geneigt, die alten Teelichter durch neue zu ersetzen, was jedoch niemals geschehen wird, weil alles Geld in die neuen Schürzen geflossen ist. Ich mag die Taktik: Aluminiumhüllen, die ein Kerzengefühl aufkommen lassen, obgleich das Kerzige allein der Fantasie vorbehalten ist. Vielleicht sind Kerzen ja die neuen Croissants.

Anonym hat gesagt…

Wird es dann, werte FrauJ, dort auch Sushi geben?

Anonym hat gesagt…

Ja jetzt wird ausgemistet. Alt raus, neu rein. Der Lauf der Zeit. Ich hoffe das Sie sich daran gewöhnen können. Herzlichstes Beileid.

Frau J. hat gesagt…

Die Kerzen, Bastian, waren durchaus nicht nur Atrappe. Ich durfte die vormals leeren Teelichthüllen bereits in aufgefülltem Zustand erleben. Traute mich jedoch nicht, sie anzuzünden ... wer weiß, vielleicht ginge das wirklich vom 'Schürzengeld' ab.

Herr Winkel, Sie haben das System schon gut erkannt. Hier, im U Back Areal, ließe sich vortrefflich Sushi verkaufen in einem Laden, auf dem 'Bäckerei' steht, oder sowas wie 'gutbürgerliche Küche'. Stünde 'Sushi' drauf, müsste es dort Spirituosen und Textilien geben, oder Dergleichen...

Ich glaube, thommy, darüber werde ich nie hinweg kommen. Aber so kann ich wenigstens endlich so Sätze sagen wie: "....früher, als U-Back noch neben dem Kiosk war...." Hach, das ist wirklich mein einziger Trost.

Anonym hat gesagt…

Vielleicht wäre es, durch eifriges Möbel- und Schürzen-Destruieren und Croissant-in-Verruf-Bringen den Altzustand wieder herzustellen - oder zumindest ein daran erinnerndes Imitiat..?

Erdge Schoss hat gesagt…

Sollten Sie, liebe FrauJ, auch in den Abendstunden geöffnet haben, scheuen Sie sich nicht, mich als Thekenkraft für exklusive Gebinde zu engagieren. Wann geht's los?

Herzlich
Ihr Erdge Schoss

Anonym hat gesagt…

ich drücke ihnen die daumen bei ihrem kampf gegen die prenzlauerbergisierung berlins. mit herrn schoss` unterstützung stehen sie aber auf verlorenem posten.

Frau J. hat gesagt…

Es hilft nichts, bastian,es ist jetzt einfach alles anders - da muss man der Realität ins Auge sehen.

Es startet, monsieur Schoss, sobald mir die KfW eine größere Geldmenge transferiert, womit ich dann auch Sie gebürend bezahlen könnte, wenngleich mir monsieur juf bereits steckte, wie der Hase läuft ....

Lennie hat gesagt…

Hmm, auch wenn dieser Blogeintrag schon ein wenig älter ist fand ich ihn erst jetzt und muss sagen das ich den oder das U Back jetzt so besser finde.

Ich kenne die Inhaber vom sehen her, sie kommen bei mir öfter einkaufen und sie kennen mich und freuen sich jedes Mal mich zu sehen wenn ich mal vorbei schaue.

Nicht nur der Laden ist freundlicher auch die Belegschaft, die Waren sind frischer als vorher und meist ist es im Sommer voll dort - ich denke mal das nicht alle falsch liegen können.

Manchmal ist Vortschritt gleich Rückschritt, aber nicht in diesem Fall. Ich bin der Meinung das es nicht an dem, doch schon etwas weiter entfernten, Prenzlberg liegt. Ich genieße es dort einzukehren bevor ich zur Arbeit in den blaugelben Container gehe :D